Ungleiche Liebe
An diesem Donnerstag, 30. August, ist „Tierpatentag“ im Frankfurter Zoo – ein Fest extra für die mehr als 1740 Menschen und Institutionen, die den Zoo gezielt mit Geldbeträgen für einzelne Tiere fördern. Die FR ist auch dabei und Hobbit, der Redaktionskea, erwidert diese Zuneigung auf sehr eigene Art.
Eigentlich war es ein großes Missverständnis, wie es so häufig am Anfang einer ebenso großen Liebe steht.
„Du, ich war heute im Zoo“, sagte der Kollege Thomas S. in der Rundschau-Redaktion.
„Ja, hier ist es oft wie im Zoo“, sagte ich, gedankenverloren.
„Nee im richtigen Zoo, bei den neuen Vögeln“, sagte Thomas S.
„Ja, manch schräger Vogel geht hier seiner Arbeit nach“, sagte ich, gedankenlos.
„Sie sind grün“, sagte Thomas S., „ganz grün, aber mit rot untendrunter.“
„Ja“, sagte ich, „aber doch nicht alle, ist doch eigentlich ziemlich pluralistisch hier der Laden.“
„Nicht hier, die im Zoo. Total verspielt sind sie und so unglaublich intelligent“, sagte Thomas S.
„Verspielt ok, aber unglaublich intelligent – jetzt übertreib’ mal nicht, auch wenn es Deine Kollegen sind“, sagte ich.
„Was redest Du da eigentlich“, sagte Thomas S. : „Schau, hier hab ich ein Foto von einem mit dem Kopf im Auspuff.“
„Verdammt, auch das noch“, sagte ich, „da gibt es eine ausdrückliche Anweisung: Kein Mofa wird während der Dienstzeit repariert. Keines! Nie!“
„Jetzt guck halt hin“, sagte der engelsgeduldige Thomas S.
Mehr als 1740 Paten haben die Tiere im Frankfurter Zoo: Privatpersonen, aber auch Firmen, Vereine, Institutionen. Einmal im Jahr sind sie alle zum Tierpatentag eingeladen – am heutigen Donnerstagabend ist es wieder so weit.
Zoodirektor Manfred Niekisch wird die Paten begrüßen und ausführlich über ihre Lieblinge informieren. Die Tierpfleger und die Kuratoren sind vor Ort und beantworten Fragen zu den Tieren. Es gibt Experimentierstände, das Infomobil der Naturschutzbotschafter von Zoo und Zoologischer Gesellschaft Frankfurt ist da. Und später wird es gemütlich am Lagerfeuer mit Stockbrot im Grzimek-Camp.
Eine Patenschaft kostet je nach Tierart. Es geht los bei 25 Euro im Jahr, etwa für eine Brillenblattnase (das ist eine Fledermaus), einen Braunkehl-Lappenschnäpper (ein Vogel) oder eine Vogelspinne. In der nächsten Kategorie, 50 Euro jährlich, grüßen beispielsweise Erdmännchen, Gundis und LSD-Fische – die heißen wirklich so, sehen auch so aus, nehmen aber keine verbotenen Drogen.
Für 100 Euro im Jahr kann man Pate einer Klapperschlange werden, für 150 Euro ist man die Bezugsperson eines Schmutzgeiers – auf der anderen Seite des Zauns. 1000 Euro kostet die Patenschaft für einen Seehund, 2000 für einen Löwen oder Tiger, mit 3000 Euro schlägt Flusspferd Meikel zu Buche, und für 5000 Euro im Jahr ist man Pate von Gorilla-Silberrücken Viatu, einer Giraffe oder einem Nashorn.
Wie man Pate wird: auf der Internetseite des Frankfurter Zoos, www.zoo-frankfurt.de.
Und ich schaute hin. Und es hat zooom gemacht. Ich war verloren! Liebe auf den ersten Blick! Dieser schlanke, auf Zehenspitzen gereckte Körper ohne Kopf, der nämlich ganz und gar im Auspuff eines Autos verschwunden war, das zu inspizieren sich der kecke Kea offensichtlich in bester TÜV-Manier vorgenommen hatte, der hat mich umgehauen.
Grün und rot und verspielt und hochintelligent – der Kea war der Rundschau sozusagen von der Evolution auf den Leib geschrieben. Da gab es kein Halten und kein Nachdenken und nur die Angst, es könne schon einen Paten geben für diese Ureinwohner der neuseeländischen Berge. Gab’s aber nicht!
Natürlich ist eine (Liebes-)Beziehung nicht immer, sagen wir mal, gleichwertig, so ganz und gar ausgeglichen. Das gebe ich zu. Bei uns, also bei Hobbit und mir, ist es so, dass ich (stellvertretend für die FR-Redaktion) den Kea liebe, seine Persönlichkeit, seine Art sich zu geben, halt dieses ganze verschmitzte, leichte, verspielte und, habe ich es schon erwähnt, hochintelligente Wesen. Und, jawohl, auch seinen so elegant grüngefiederten Körper mit den roten Flecken unter den Flügeln.
Hobbit liebt mich (uns) auch. Meinen Körper jedenfalls. So wie man halt Essen liebt. Lebendige Nahrung, der man mit seinem riesigen und spitzen und starken Kea-Hackeschnabel ein leckeres Stück aus dem weichen Hals zwacken kann.
Es gibt aber auch Paten, die nicht so gezwackt werden:
Erdmännchen sind einfach süß
Petra Kunkel hat nicht ein Patentier im Frankfurter Zoo – Petra Kunkel hat derer fünf. Einen Madagassischen Taggecko namens Gecki. Der ist grün. Einen Azurblauen Baumsteiger ohne Namen, dafür sehr giftig. Der Frosch ist blau. Eine Gouldamadine namens Amanda. Der Vogel ist bunt. Einen Pampas-Hasen. Der hat 15 Vornamen, die an anderer Stelle auf dieser Seite (im Text nebenan) nachzulesen sind, er ist nämlich auch Patentier von Liz Amber Reißfelder. „Der bestaussehende argentinische Pampas-Hase der Welt“, sagt Petra Kunkel.
Und dann ist da noch Gideon. Der ist der Chef im Erdmännchen-Revier. Im vergangenen Jahr wurde dort renoviert, die Gruppe bekam ein schickes neues Glashaus, und danach fühlte sich Gideon so richtig wohl und legte mit der Familienplanung los. Fünf Junge von seinen zwei Frauen wuselten im Herbst durch die Gegend und stehen inzwischen nach bester Tradition gern aufrecht im Gehege, den Blick in die Ferne gerichtet.
„Erdmännchen sind einfach süß“, sagt Petra Kunkel. Dass sie in diesem Sommer Gideons Patin wurde, hat die Messe-Angestellte ihren früheren Kollegen zu verdanken: Sie schenkten ihr die fünf Patenschaften zum Abschied. „Die wussten eben, dass ich sehr tierfreundlich bin und dass ich gern in Zoos gehe“ , sagt die 43-Jährige.
Im ganzen Land hat sie schon Tierparks besucht: „Ich bin kein Greenpeace-Mensch, aber ich finde es toll, dass es inzwischen Konzept der Zoos ist, die Tierarten zu schützen und nachzuzüchten.“ Wenn ihre geschenkten Patenschaften wie üblich nach einem Jahr auslaufen, will Petra Kunkel auf jeden Fall weiterhin Patin bleiben.
Als sie sich ihre Lieben auf der Zoo-Internetseite anschaute, stieß sie auf das Projekt Pinguinhaus – und spendete direkt für den Neubau.
Und was macht man eigentlich so als Tierpatin? „Ich gehe hin, schaue mir die Tiere an – streicheln kann man so einen giftigen Azurblauen Baumsteiger ja nun nicht unbedingt – und ich fotografiere auch viel.“
Apropos fotografieren. „Bitte noch einmal zu mir schauen“, sagt FR-Fotograf Christoph Boeckheler. Und Erdmännchen Gideon tut wie geheißen. Dabei war eigentlich Petra Kunkel gemeint.
Ja, manche Tiere sind halt auch ein bisschen kooperativ, wenn ihre spendablen Paten zu Besuch sind, und lassen sich auch mal ordentlich fotografieren.
Davon könnte sich Don Gonzalez, der Pampas-Hase, noch eine Scheibe abschneiden.
Minnie Maus und die Maras
Manche Leute wollen aber auch partout nicht fotografiert werden. Zu diesen Leuten zählt ganz offenbar Don Gonzalez Antonio Rodrigo Juan Ambrosio Bonifacio Esteban Ignacio Jorge Sebastiano Placido Xavier Felipe Jaime de Alvarez Diaz Cabrera y Santa. Es handelt sich um einen Mara, einen argentinischen Pampas-Hasen, der hat 15 Vornamen, und der möchte jetzt nicht mit Liz Amber Reißmüller aufs Foto. Wirklich nicht. Und sonst auch keiner aus der zehnköpfigen Mara-Gruppe im Frankfurter Zoo.
Dabei ist die fünfjährige Liz die Patin eines dieser Pampas-Hasen. Ob es Don Gonzalez undsoweiter ist, können wir nicht mit Sicherheit sagen, denn auf Liz’ Patenschaftsurkunde stehen die 15 Vornamen nicht drauf. In den Papieren von Petra Kunkel schon. Don Gonzalez ist nämlich eines von Petra Kunkels zahlreichen Patentieren, wie im Text nebenan auf dieser Seite zu lesen ist. Und als Petra Kunkel tags zuvor für die FR-Fotoaufnahmen im Zoo war, hatte Don Gonzalez auch noch gar kein Problem mit einem Foto. Da saß er ganz entspannt im Hier und Jetzt und im Hintergrund.
Aber jetzt ist Liz hier, und die Pampas-Hasen verstecken sich irgendwo in der Pampa. Was auch irgendwie ein Glück ist, denn dadurch dürfen Liz und ihre Mama unglaublicherweise hinein ins Südamerika-Gehege zu den Maras und den Vikunjas und den großen Laufvögeln. Mal sehen, ob sich auf die Art nicht ein gemeinsames Foto ergibt.
Liz aus dem Frankfurter Nordend, im schicken Minnie-Maus-Shirt, ist seit Juli stolze Patin ihres Pampas-Hasen. Besucht hatte sie ihn bisher noch nicht. Im Zoo war sie natürlich schon oft, aber halt nicht bei den Maras. Die betrachtet sie zum ersten Mal ganz genau – und dann gleich so aus allernächster Nähe. Generell mag Liz gern Affen: „Weil sie so schnell sind.“ Und Hasen? „Ja.“ Schon mal einen gestreichelt? „Nein. Aber ich kann einen basteln“, schlägt sie vor, „und der Mama schenken.“
Mit Leib und Seele ein Freund des Zoos
Es gibt Tierpaten im Frankfurter Zoo, die kümmern sich um ein Tier. Das ist wunderbar. Und es gibt Andreas Volz, der dem Zoo seit einer „gefühlten Ewigkeit“ verbunden ist. Nicht nur selbst als Tierpate, auch als Vermittler weiterer Patenschaften. „So zehn bis zwölf sind es bestimmt, die ich verschenkt habe“, sagt der 45-Jährige. „Das kommt ganz gut an. Die Verwandtschaft ist jedenfalls versorgt.“
Das Hobby Tiere betreibt Volz „seit meinem neunten Lebensjahr exzessiv“. Damals interessierte er sich besonders für Frösche. Das tun auch andere Jungen in dem Alter. Aber Andreas Volz beschäftigte sich so intensiv mit ihnen, dass er gewissermaßen selbst zum Frosch wurde. Oder zur Schildkröte: Heute leitet er eine Tauchschule im Frankfurter Nordend namens Turtle-Diving.
Regelmäßig kommen die Frosch- und Schildkrötenmänner in den Zoo und machen mit Spezialgerät das Seebärenbecken sauber. „Kostenlos – so unterstützen wir den Zoo.“ Bei ihren Einsätzen bergen sie auch, was Besucher so verlieren: Sonnenbrillen und Kameras liegen besonders häufig auf dem Grund des Beckens. Und Seebären interessieren sich augenscheinlich nicht sehr fürs Fotografieren. Sie tragen auch ungern Sonnenbrillen.
Nebenbei ist Volz auch noch Vorsitzender des Naturschutzvereins Global Nature Project (GNC), der sich seit 2003 etwa um Fledermäuse kümmert, Schildkröten hilft, Gewässer schützt, Kindern und Erwachsenen den Bau von Insektenhotels beibringt. Die Leute vom GNC haben übrigens auch das Modell gefertigt, das den Zoo zur Gründungszeit 1858 zeigt. Es steht in den Faust-Vogelhallen.
Ach so – und ein Patentier im Zoo hat Andreas Volz natürlich auch: den Schlammspringer, eine amphibisch lebende Fischart mit interessiertem Gesichtsausdruck, die die meiste Zeit an Land verbringt. „Es war eine innerliche Nähe zwischen Tier und Tauchlehrer vorhanden“, sagt Volz und lacht: „Beim Tauchen fühlt man sich manchmal selbst wie ein Schlammspringer.“
Er hatte aber auch schon Wasserschildkröten als Schützlinge. Seine Tierpatenschaften wechseln alle zwei bis drei Jahre: „Ich habe schon fast den Überblick verloren.“
Wichtig ist ihm, sich mit Tieren zu beschäftigen, mit ihrem Wesen und mit ihren Eigenarten. Dem Zoo ist er dabei eng verbunden. „Wenn ein Zoo so geführt wird wie hier in Frankfurt“, sagt er, wenn er die Menschen mit Hilfe der Tiere an den Artenschutz heranführt, „dann ist das ein wertvolles pädagogisches Instrument.“