Alex Karayilan taucht aus dem 16 Grad kalten Wasser auf. Seine Kapuze wirkt etwas angefressen. Er auch. Seine Handschuhe sind völlig durchlöchert. „Und das sind noch die guten!“, prustet der Taucher. Ja,. es ist nicht ganz leicht, ein Seebärenbecken sauberzumachen. Besonders, wenn die Seebären mithelfen wollen.
Montagmittag im Zoo: Die Leute von der Tauchschule Turtle Diving sind da. Oder die Leute vom Naturschutzverein Global Nature Project (GNP). Das ist irgendwie dasselbe. Die Seebären jagen sich schon ganz aufgedreht durchs Wasser. Und als Karayilan zusammen mit Reviertierpfleger Karlheinz Jahnel zu ihnen hineinspringt, geht die Party richtig los.
Nicht, dass die lustigen Flossentiere irgendein Unrechtsbewusstsein hätten, weil sie zu faul sind, ihr Becken selbst sauber zu halten. Im Gegenteil. Während Jahnel, 47, einen enormen Saugschlauch in knapp fünf Metern Tiefe über den Grund wuchtet, schießen sie haarscharf an ihm vorbei und wollen spielen.
Karayilan hält sich derweil mit einem aufgepfropften Griff an der Besucherscheibe fest, um nicht von der Strömung weggerissen zu werden, und putzt mühsam mit einem Haushaltsschwamm das Glas – da kommt Seebärin Andra.
Die Zuschauer auf der anderen Seite der Scheibe kringeln sich vor Lachen
Sie beißt ihm in den Kragen. Sie möchte ihm die Pressluftflasche ausziehen. Sie hätte gern mal das Mundstück. Sie interessiert sich sehr für seinen Bleigürtel. Der 40 jährige Taucher rollt die Augen und deutet genervt mit dem Daumen auf Andra. Die Zuschauer auf der anderen Seite der Glasscheibe kringeln sich vor Lachen. Beckenreinigung bei den Seebären: ein Spektakel für die ganze Familie.
„Wir kommen im Winter wie im Sommer mit der kompletten Ausrüstung“, sagt Andreas Volz, Leiter der Tauchschule und GNP Vorsitzender. Nicht wegen der Temperatur – sie wollen mit halbwegs heiler Haut wieder raus. Denn wenn Seebären bei der Arbeit helfen, kann es schon mal zu einem Kratzer kommen. Ober-Bulle Otti muss deshalb jeden Montag für ein Stündchen ins Separee. „Wenn der zwickt, das tut wirklich weh“, sagt Volz.
Viele wollen einmal zu den Seebären ins Wasser – aber die Turtle-Taucher blieben
Langsam steigt ein Schnuller vom Beckengrund nach oben. Andra hätte jetzt gern den rechten Handschuh von Alex Karayilan, und Andreas Volz sinniert: „Da sieht man mal wieder, dass der Mensch gar nicht ins Wasser gehört. Wie leicht die Tiere da durchflitzen, wie schwerfällig der Mensch.“ Gut dass ihn der Kollege drinnen gerade nicht hören kann.
Das Global Nature Project haben Volz und seine Taucher einst in Frankfurt gegründet, um Leuten ihre exotischen Schildkröten abzunehmen, ehe sie sie wild in Gewässern aussetzen. Seit vier Jahren machen sie bei den Seebären sauber. Es begann mit einem Wunsch, den viele haben: einmal mit den torpedohaften Gesellen tauchen. Und die Begeisterung blieb, auch wenn die Arbeit anstrengend ist. „Sie sind eine riesengroße Hilfe für uns, weil sie regelmäßig kommen“, sagt Jahnel. „Auf die ist Verlass.“ Spricht’s und wendet sich wieder seinen Schützlingen zu. „Bist ein Monster“, sagt er liebevoll zu Andra.
Für ihren Einsatz kriegen die Taucher: nichts. „Wir machen das ohne Gegenleistung“, sagt Volz. Sie nehmen sich sogar frei dafür. „Aber andere Leute geben viel Geld aus, um mal mit Tieren zu tauchen.“ Da lacht Andra und zeigt ihre Zähne. Die könnten auch mal wieder geputzt werden. „Zum Glück ist die nicht bei uns versichert“, sagt Alex Karayilan. Wenn er nicht gerade in Seebärenbecken taucht, ist er Krankenkassenangestellter.
Über die Seebärensäuberung wurde auch bereits mehrfach im Fernsehen berichtet.