Wiederansiedlungsprojekt

Beobachtung des Wiederansiedlungsprojekts der Europäischen Sumpfschildkröte (Emys orbicularis orbicularis, Linnaeus 1758) in Hessen.

Bei der Europäischen Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) handelt es sich um die einzige in Deutschland heimische Schildkrötenart, und sie stellt somit allein dadurch eine Besonderheit in der heimischen Fauna dar. In allen Bundesländern steht diese Tierart auf der Roten Liste, und gilt in einigen Bundesländern schon als ausgestorben. Die hier beheimatete Unterart der Europäischen Sumpfschildkröte trägt den Namen Emys orbicularis orbicularis. Sie wurde durch Lebensraumzerstörung (z. B. die Trockenlegung von Feuchtbiotopen zur landwirtschaftlichen Nutzung, vorallem durch die Vernichtung geeigneter Eiablageplätzen), aber auch durch Vermischen mit aus dem südeuropäischen Raum stammenden Unterarten Emys orbicularis hellenica, sowie durch die Konkurrenz ausgesetzter Exoten (z.B. von Schmuckschildkröten Trachemys scripta aus Nordamerika) in Deutschland fast vollständig ausgerottet (Fritz & Günther 1996). Die schlechte Situation der Sumpfschildkröten in Deutschland konnte durch neue genetische Untersuchungsmethoden noch deutlicher aufgezeigt werden. So zeigte sich, daß die als einzige autochthon angesehene Population in Hessen, im NSG Enkheimer Ried nahe Frankfurt a. M,. eine Mischpopulation aus den Unterarten Emys orbicularis orbicularis und Emys orbicularis hellenica, und einiger „reinrassiger“ Emys orbicularis orbicularis Tiere ist (Lenk et all 1999). Doch neue, „reinrassige“ Funde der Europäischen Sumpfschildkröte Emys o.orbicularis in dem NSG Reinheimer Teiche, in der Nähe von Darmstadt, sowie das Überleben der Population im Enkheimer Ried, zeigen, daß diese Tierart hier in Hessen durchaus überleben kann. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Wiederansiedlung sind somit gegeben. Die späte Entdeckung dieser autochthonen Restpopulation beweist noch einmal sehr eindrücklich, wie wenig wir über diese Tiere wissen.Genau Bestandszahlen der Europäische Sumpfschildkröte liegen für Deutschland nicht vor, da es sich um ein sehr scheues, und somit sehr heimliches Tier handelt. Eine direkte Beobachtung der Tiere ist sehr schwierig und nur beim Sonnenbaden der Tiere außerhalb des Wassers gut möglich. Doch meist hat der Beobachter das scheue Tier schon vertrieben, bevor er nahe genug zu einer genauen Identifizierung herankommen konnte. Eine Verwechslung mit den durchaus häufigen „Exoten“ wie z. B. der Rotwangen-Schmuckschildkröte (Pseudemys scripta elegans) ist nicht auszuschließen. All dies erschwert eine genaue Bestandsaufnahme und führt zu sehr ungenauen Populationszahlen.Diese dramatischen Probleme veranlaßte Tierschützer und Naturfreunde der unterschiedlichsten Organisationen und Institutionen vor einigen Jahren ein Konzept zur Rettung der letzten hessischen Sumpfschildkröten zu entwickeln. Man wollte die noch existierenden Bestände erhalten und schützen, und gegebenenfalls die Populationen durch Nachzuchten stützen. Diese Projekt zur „Rückkehr der Sumpfschildkröte“ wird vom Nabu, dem Regierungspräsidium Darmstadt, dem Hessisches Landesmuseum Darmstadt, den verschiedenen Forstämtern, dem Zoologischer Garten sowie der Universität Frankfurt a. M., der Arbeitsgemeinschaft Amphibien- und Reptilienschutz und vielen anderen unterstützt . Die Hauptziele sind: die bestehenden Populationen durch gezielte Schutzmaßnahmen erhalten (geeignete Eiablageplätze schaffen, Sonnenplätze anlegen), neue Gebiete zur Wiederansiedlung der Tiere hessenweit suchen, junge Schildkröten nachzüchten und diese dann in den neuen Gebieten auswildern, sowie die „alten“ Bestände mit Nachzuchten verjüngen. Diese gezielte Nachzucht von ausschließlich reinrassigen Elterntieren der Unterart Emys o. orbicularis, konnte durch die Initiative privater Züchter aber auch durch gefangenen Tieren (z.B. Reinheimer Teiche) realisiert werden. Die Nachzuchten werden die ersten Jahre im Zoo Frankfurt am Main gepflegt, so das sie eine geeignete Größe für eine Wiederansiedlung erreicht haben. Die Möglichkeit des Verlustes der Tiere durch Freßfeinde kann somit minimiert werden. In Hessen wurden, und werden immer noch geeignete Biotope zur Wiederansiedlung dieser Tiere gesucht (Gall 2001). Diese Biotope werden gegebenenfalls durch geeignete Maßnahmen, wie z. B. Schaffung von Eiablage- oder Sonnenplätzen, auf die Bedürfnisse der Sumpfschildkröten abgestimmt. Durch das Abfangen der illegal ausgesetzten, exotischen Schildkrötenarten wird eine weitere Verbesserung der Biotope erzielt, und eine Konkurrenz vermieden. Im Sommer 2002 konnten die ersten Nachzuchten junger Emys orbicularis orbicularis im Freiland ausgewildert werden.Zur individuellen Markierung wird den Tieren ein Mikrochip, ein sogenannter Transponder, implantiert. Dieser Transponder kann mit Hilfe eines Lesegeräts jederzeit abgefragt werden, er enthält Daten über die Herkunft der Tiere, das Alter etc. Die Transponder erleichtern eine Zuordnung der Tiere, und sollen bei einer Abwanderungen zur Identifizierung der Tiere beitragen. Das Projekt zur Wiederansiedlung der Europäischen Sumpfschildkröte in Hessen, wird mit Hilfe der Technik der Radiotelemetrie, sowie weiteren Freilandbeobachtungen verfolgt und überwacht. Die Technik der Radiotelemetrie ist bei solchen Wiederansiedlungsprojekten eine international übliche Beobachtungsmethode (Kenward 2001, Kuchling 2000). Die Schildkröten werden hierfür mit einem 3-4 g leichten Peilsender ausgestattet Durch die Radiotelemetrie läßt sich das Auswilderungsverhalten (Wanderung, individuelle Verhaltensmuster, aber auch ein Verlust oder Krankheit) der Tiere beobachten und somit neue Kenntnisse über die Biotopsansprüche der Tiere gewinnen. Der genaue Standort, sowie Daten zur Tages- und Jahresaktivität, Wanderung, etc. der einzelnen Tiere lassen sich individuell aufnehmen, und werden für weitere Ansiedlungen zu Rate gezogen. Ein besonderes Augenmerk soll auf die Wanderung der Weibchen zu ihren Eiablageplätzen gelegt werden, da über diese noch recht wenig bekannt ist. Der Fortpflanzungserfolg ist für das Überleben der Population unabdingbar. Durch eine solche wissenschaftliche Betreuung der Wiederansiedlung können Schwachstellen des Konzepts, so z. B. unvorhersehbare Verschlechterungen des Biotops etc. schneller auffallen und zur Verbesserungen weiterer Wiederansiedlungsmaßnahmen beitragen. So könnte z. B. durch das Wissen über die Wanderwege, vorallem der Weibchen, ein besserer Schutz für diese gewährleistet werden, da man Straßen in den Wanderzeiten eventuell kurzfristig sperren könnte, um so den Tod der Tiere und der später folgenden Jungtiere durch Überfahren zu verhindern (wie es im Amphibienschutz bereits praktiziert wird).

Literatur

  • Fritz, U.& Günther, R. (1996): Die Europäische Sumpfschildkröte – Emys orbicularis.
  • Günther, R. (Hg.) (1996): Die Amphibien und Reptilien Deutschlands. Fischer, Jena
  • Gall, M. (2001): Studie zur Findung und Bewertung geeigneter Lebensräume für die Wiederansiedlung der Europäischen Sumpfschildkröte in der Wetterau. BUND Hessen.
  • Kenward, R.E. (2001): A manual for wildlife radiotagging. Academic Press, San Diego.
    Kuchling, G. (2000): Conservation strategies for remnant turtle poulations: the Western Australian Swamp Turtle Pseudemydura umbrina Recovery Programme. Stapfia 69.
  • Lenk, P., Fritz, U., Joger, U. & Wink, M.(1999): Mitochondrial phylogeography of the European pond turtle. Molecular Ecology 8: 1911-1922.
  • Schweitzer, S. (2001): Untersuchungen zur Stoffwechselphysiologie der Europäischen Sumpfschildkröte Emys orbicularis (Linnaeus1758) (Reptilia: Testudines: Emydidae). Diplomarbeit im Fachbereich Biologie der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main.

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